Baugeschichte der Schloßkirche

Im Jahre 1278 wird Lützschena erstmals urkundlich erwähnt. Damals verkaufte nach dem Tod des Johannes von Brandis Markgraf Dietrich von Landsberg das Dorf an den Bischof Friedrich von Merseburg. Zu diesem Zeitpunkt besaß Lützschena bereits eine lange Geschichte. Die slawische Wurzel im Ortsnamen verweist auf eine Gründung durch Sorben, die sich hier wohl schon im 7./8.Jahrhundert „an den Wiesen“ oder „an einem Bogen“ der nahen Weißen Elster angesiedelt hatten (vgl. verwandte Ortsbezeichnungen wie Leutzsch oder Lockwitz).
Während des deutschen Landausbaues im 11. bis 13.Jahrhundert erhielt Lützschena eine Wasserburg auf dem heutigen Schlossgelände. Ihr vorgelagert war eine kleine Kirche, die von den Bewohnern der Burganlage und des Dorfes gemeinsam genutzt wurde. Wann eine eigenständige Pfarrei eingerichtet wurde, ist unbekannt. Ebenso lässt sich der Weihename dieser ersten Kirche nicht mehr ermitteln.
Um 1512 fand ein fast vollständiger Abbruch des bisherigen Kirchengebäudes statt. Anscheinend blieben dabei kaum mehr als die Fundamente übrig, auf denen man neue schwächere Mauern in Ziegeltechnik hochzog. Dadurch erklären sich die auffälligen Sockel vor allem an den Innenwänden des Kirchensaales. An den Außenseiten verwendete man rot und dunkel gebrannte Ziegel. Ihre Vermauerung stellte ein Muster her, das vielleicht die ganze Fassade bedeckte. Den bisherigen Südeingang, auf den außen noch eine Trittschwelle hinweist, behielt man bei, doch wohl bereits zu dieser Zeit dürfte zusätzlich auch das Westportal entstanden sein. Des Weiteren wurde – damals zumeist an den Dorfkirchen eingeführt – eine Sakristei auf der Nordseite angefügt, und man versah das neue Kirchengebäude mit einem stattlichen Dachreiter. In ihm wurde 1519 neben dem bestehenden Geläut die bis jetzt benutzte Annenglocke aufgehangen.

Die Annenglocke von 1519

Bei dem Umbau wurde vielleicht auch der jetzt noch vorhandene Flügelaltar verändert. Während seiner Restaurierung 2014/15 stellte es sich heraus, dass bereits Übermalungen aus der Zeit noch vor der Reformation erfolgt waren.

Ein seinerzeit modernes Formgefühl verrät die Steinmetzarbeit, die besonders an der Gestaltung der Maßwerkfenster sowie der Sakramentsnische deutlich wird. Als Material verwendete man Rochlitzer Porphyrtuff, der von Anfang an farbig behandelt war. Die innen an den Altarfenstern quer laufenden Eisen sind noch Teil der ursprünglichen Konstruktion zur Befestigung der Verglasung.
Im Kampf gegen die sich ausbreitende Reformation wurde die Pfarrstelle Lützschena 1537 durch den Merseburger Bischof Sigismund von Lindenau aufgelöst und dem benachbarten Hänichen zugeordnet. Dieser Akt richtete sich auch persönlich gegen Götz (Gottfried) von Üchtritz († vor 1551), dessen Familie seit 1405 die Herrschaft Lützschena und seit 1456 das nordwestlich angrenzende Freiroda besaß. Götz war 1537 bereits Anhänger Luthers, verweigerte die römisch-katholischen Sakramente und förderte die Reformation. Mit ihrer endgültigen Einführung 1562 wurde Hänichen zum Sitz des Küsters und der Schule, und die Pfarrverwaltung für beide Kirchgemeinden einschließlich Quasnitz, das zu Hänichen gehörte, kam nach Lützschena.

1717 erlitt die Kirche einen Brandschaden, der in der Hauptsache zur Verkürzung des Dachreiters führte.

Die Lützschenaer Kirche nach den Brandschaden von 1717


Ein klassizistisches Gepräge erhielt das seit der Reformation mehrfach umgestaltete Kircheninnere 1823.
Es ging zurück auf Maximilian Freiherr Speck von Sternburg (1776-1856), der 1822 die Herrschaft Lützschena gekauft hatte und die Grundlagen für den bemerkenswerten Aufstieg des Ortes im 19. Jahrhundert schuf.
Zu den Neuerungen im Gotteshaus zählte ein Kanzelaltar. Der bis dahin aufgestellte Flügelaltar, wurde vom Patronatsherren, auch um seiner Frau eine Geburtstagsfreude zu bereiten, schließlich 1835 außen am Ostgiebel aufgehangen, gesichert durch Sockel, Bedachung und ein schützendes Drahtgeflecht. Er befand sich dort bis 1855.
In jenem Jahr ließ Max von Sternburg in seiner Eigenschaft als Patron durch den jungen Leipziger Architekten Oskar Mothes (1828-1903), einen Schüler Gottfried Sempers (1803-1879), die Kirche insgesamt umbauen. Im Inneren wurde der spätgotische Triumphbogen abgetragen, um einen einheitlichen Raum herzustellen.
Das Äußere der Kirche erfuhr dagegen eine Veränderung im neugotischen Stil. Damals entstand die Bekrönung durch Zinnen und der seit dem Brand von 1717 verkürzte Dachreiter wurde durch einen westlich angebauten Turm aus rotem Ziegel ersetzt. Seinen spitzen Helm umrahmten vier aufgemauerte schlanke Dacherker.
Die Neugestaltung ähnelte dem Aussehen der Kirche von Rüdigsdorf (OT von Kohren-Sahlis), die Mothes 1847/48 erbaut hatte.
Der Flügelaltar kam damals auf Anregung von O. Mothes als bleibendes Eigentum der Kirchgemeinde in die Obhut der Deutschen Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig. Über mehrere Stationen gelangte er 1947 in das Depot des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig.
Schon vor dem Umbau verloren gegangen war die mittelalterliche (romanische?) Sandsteintaufe, die man bis zum Abbruch der alten Sakristei 1845 dort noch aufbewahrt hatte, sowie 1855 wohl endgültig die farbig gefasste Kanzel von 1615, die bis heute ein überein- stimmendes Gegenstück in der Hainkirche St.Vinzenz (Hänichen) besitzt.
In das 16. bis 19. Jahrhundert gehören die neun in und an der Kirche noch vorhandenen Grabdenkmäler. Sie beziehen sich sämtlich auf das Schloss, darunter sieben auf die Familie von Üchtritz. Die Inschriften spiegeln eine sich wandelnde Frömmigkeit. Erinnerungen an die Pfarrer fehlen auch deshalb, weil ihre Bestattung in Hänichen – bis 1680 innerhalb der Kirche – erfolgte.
1905 nahm man eine Überholung des Kirchengebäudes außen vor.
Pläne zu einer großzügigen Umgestaltung setzten 1913 nach dem Vorbild der Kirche Hänichen von 1906 ein. Die Ausführung unterblieb infolge des Ersten Weltkrieges. Nur das Innere erneuerte man 1922 „in schwerer Zeit“.
1934 vereinigten sich, damit dem örtlichen Beispiel von 1929 folgend, die beiden Kirchgemeinden Lützschena und Hänichen. Infolgedessen verwendete man seit 1940 zur Unterscheidung der wechselnd genutzten Gottesdienststätten die Namen Schloßkirche und Hainkirche. Allerdings bewirkte dieser Zusammenschluss auch, dass – abgesehen von dem 1910/11 errichteten großen Pfarrhaus und anderen kirchlichen Gebäuden – künftig die Baulast von zwei Kirchen anfiel. Daher fanden um vier Jahre verzögert erst 1939/40 anstehende Reparaturen in der Schloßkirche statt. Später, in den Nachkriegsjahren und vor allem in der wirtschaftlich wie politisch schwierigen DDR-Zeit, war die Kirchgemeinde immer weniger in der Lage, auftretende Schäden befriedigend zu beseitigen.
Anfang der 60er Jahre dachte man deshalb sogar an die Aufgabe der Schloßkirche.
Aber mit Hilfe des sächsischen Landeskirchenamtes und viel persönlichem Einsatz konnte schließlich bis 1973 nach Entwürfen und der fachlichen Leitung durch den kirchlichen Baupfleger Gerhart Pasch zumindest eine weitgehende Sanierung durchgeführt werden. Vereinfachungen am Äußeren des Baukörpers, besonders am Turm, waren in Kauf zu nehmen. Doch bot die ebenfalls notwendige Entfernung der Innenausstattung zugleich eine Gelegenheit, jetzt einen hellen und festlichen Raum zu schaffen, der in seiner Gestaltung, z. B. durch bewegliche Bänke, den unterschiedlichen praktischen Bedürfnissen der Gemeinde entgegenkam.


Die betont schlichte Formensprache, unterstützt durch eine materialorientierte Verwendung von Metall, Holz und Glas, sollte ursprünglich auch den Rahmen für den wieder aufgestellten Flügelaltar bilden. Aber dieses spätestens seit 1936 beabsichtigte und von der Denkmalpflege geförderte Projekt zerschlug sich durch die SED-Institutionen, die entgegen der Rechtslage eine Rückgabe verhinderten.
Als veränderte Lösung gelang es, das Leipziger Künstlerehepaar Ulrike und Thomas Oelzner für die Gestaltung des Altarbereiches zu gewinnen. Auf sie gehen, in Stahl und farbigem Betonglas ausgeführt, das Altarkreuz – jetzt separat als Lichtkreuz – sowie der fünfflammige, variabel zu verwendende große Bodenleuchter zurück.
Heute vermittelt die inzwischen denkmalgeschützte Inneneinrichtung ein Beispiel, wie die kirchliche Arbeit während der DDR-Zeit bewusst moderne Gestaltung in den Dienst ihrer Botschaft stellte.
Eine Kette von Teilsanierungen setzte 1997 ein: Zunächst der Turm, 1999 ein neuer Innenanstrich, 2002 die Generalinstandsetzung der Orgel, 2010 die Dachstuhlreparatur mit anschließender Neueindeckung, die Vervollständigung der Treppengiebel und Zinnen sowie der Außenputz und -anstrich, 2011 der nochmalige Innenanstrich und 2011/12 die Überarbeitung der Fenster.
Jüngster Höhepunkt in der langen Geschichte der Schloßkirche ist die Rückkehr des Flügelaltars im Sommer 2013. Dass endlich doch die Freigabe seitens des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig erreicht werden konnte, ist insbesondere der Vermittlung von Wolf-Dietrich von Sternburg zu danken.
Nach ersten Reinigungs- und Sicherungsmaßnahmen wurde der Flügelaltar zunächst in zwei Kisten neben dem damaligen Altar eingelagert.
2014/15 schloss sich über ein halbes Jahr die Restaurierung unter schonender Behandlung der Befunde an. Dafür diente das Kirchenschiff als Werkstatt.
Die aufzubringenden Kosten übernahmen der Freistaat Sachsen, vertreten durch die Stadt Leipzig, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Sparkasse Leipzig sowie private Förderer.
Durch Beschluss des Kirchenvorstandes wurde der Flügelaltar, nun unter dem Namen Marienaltar, auf den einst 1971 dafür vorbereiteten Altarblock gestellt. Das Kreuz auf dem Altar rückte als Lichtkreuz auf einen eigenen Sockel nach Süden, der große Bodenleuchter behielt seinen flankierenden Platz. Ergänzt wurde der Altarschrein um die verlorenen beiden Außenflügel nebst Predella (Unterbau).
Die Diskussion um die Gestaltung dieser neuen Teile ist noch nicht abgeschlossen.

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