„Du bist ein Gott, der mich sieht“, so lautet die Jahreslosung 2023

Der folgende Kanon ist hier zu finden.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“. Sehen und gesehen werden sind zwei wichtige Stützpfeiler unseres Lebens. Wer ist schon gern farblos und wird gern übersehen. Gesehen werden meint wahrgenommen werden, Wertschätzung erhalten und eine gewisse Aufmerksamkeit, die jedem gut tut. Das Gegenteil: sich verstecken – auch ein Bedürfnis, welchem wir manchmal nachgeben, vielleicht aus Scham oder einfach um Ruhe zu haben. Die Geschichte von Gott und den Menschen lässt sich auch erzählen als Geschichte des Hinsehens und des Wegsehens, des Sich-Versteckens und des Gefundenwerdens. Sehen führt zum Erkennen. Adam und Eva gingen die Augen auf nach dem berühmten Apfel, und sie erkannten sich als das, was sie waren, nackt. Ihre Söhne Kain und Abel gerieten in Streit miteinander, Kain erschlug Abel, wollte sich verstecken, aber Gott fragte ihn: „Wo ist dein Bruder Abel?“
Weiter geht es mit „Als aber der Herr sah, dass der Menschen
Bosheit groß war auf Erden“ – die nächste Urgeschichte, die der Sintflut. Gott erkennt durch Beobachtung, wie der Mensch so ist, den er geschaffen hat. Und nicht etwa trotzdem, sondern genau
deswegen gibt er sein Versprechen, die Menschheit nie wieder vernichten zu wollen. Spätestens nach diesen ersten Geschichten in der Bibel war es zwecklos, sich vor Gott verstecken zu wollen. Gottes Augen bleibt nichts verborgen, weder Gutes noch Schlechtes, weder
Kleines noch Großes.Es gab Zeiten, da konnte man mit diesem Wissen wunderbar drohen: Benimm dich, denn Gott sieht alles. Jeder noch so kleine Fehltritt, jeder böse Gedanke, jede unterlassene Hilfeleistung – Gott weiß davon! Das kann Angst machen und sehr missbraucht werden, um Menschen klein zu machen. Bis sie hoffentlich eines Tages erfahren, dass Gottes Liebe unendlich ist. Bleibt also die positive Seite von „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Gesehen werden ist ein absolutes Grundbedürfnis des M e n s c h e n .

Wir brauchen Anerkennung und stellen so manches an, um sie zu bekommen. Dabei denke ich zum Beispiel an die sozialen Medien, wo das Grundbedürfnis nach Aufmerksamkeit für Alltäglichkeiten ständig bedient wird. Dabei spielt natürlich die Aufmerksamkeit und das eventuelle Lob der Zusehenden eine enorm große Rolle. Das ist für sich genommen weder schädlich noch verwerflich, so lange das Grundbedürfnis gesehen zu werden nicht so viel Raum einnimmt, dass für alles andere keine Zeit bleibt. Was aber passiert, wenn Menschen das Gefühl haben, nicht gesehen oder übersehen zu werden? Wenn die Chancen für Aufmerksamkeit und die damit verbundene Wertschätzung ausbleiben? Dann könnte es sein, dass ein einfaches Bedürfnis zu einer Gier nach Aufmerksamkeit wird. Dann geht es nicht mehr darum, für tolle Sachen gelobt zu werden, sondern um jeden Preis überhaupt wahrgenommen zu werden. Zum Ausdruck kommt dies dann durch blöde Aktionen in der Öffentlichkeit, durch Stören und Zerstören. Ein Zuviel
oder ein Zuwenig aller Grundbedürfnisse macht krank – alle Beteiligten, die, die es tun, und die, die es anschauen.
„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – welche Bedeutung mag das für uns in diesem Jahr gewinnen? Gut ist schon mal, dass die Jahreslosung kein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist, denn wie lange gute Vorsätze halten, ist wohl allen bekannt. Hier muss ich nicht etwas tun oder etwas lassen, mit etwas aufhören oder etwas anfangen. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ hat keinen Auftrag an mich. Sehr angenehm und sehr christlich. Mein Schöpfer, dem ich mein Leben verdanke, sieht mich. Ich existiere für ihn. Ich könnte jederzeit sagen: „Guck mal, lieber Gott“, wenn mir danach ist. Muss ich aber gar nicht, denn er sieht mich auch so, wie ich bin, im Guten wie im Schlechten. Und er kommt damit klar. Diese Gewissheit ist das Allerbeste. Sich von Gott angesehen fühlen. Es ist, als würde man wertvoller. Gott sagt zu mir: Du bist wichtig. Das ist ein schönes Gefühl und ein wertvolles. Dieses Wissen kann ich und können sicher auch Sie im Jahr 2023 sehr gut gebrauchen. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Gesehen werden.
Gott nimmt Sie ernst und wichtig!
Sylvia Berger

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